Andrzej Pud³o, Kazimierz M. Pud³o VI. Die ehemaligen und die heutigen Einwohner von Oborniki und ihre Stadt in der Nachkriegszeit. Trotz des fehlenden Sicherheitsgefühls Mitte 19945 im fast ganzen Niederschlesiens, nahm die Bevölkerung in Oborniki Slaskie zu. Zu den zurückgebliebenen Obernigk-Einwohner, die ehemaligen Bürger des 3. Reiches stießen ihre Landsleute von der anderen Seite der Oder und aus Tschechen, und vor allem polnische Siedler verschiedener regionaler Herkunft. Es begann sich unter den völlig geänderten Gegebenheiten des neuen politischen Systems eine neue Gemeinde von Oborniki und neue Organisationsformen des kollektiven Lebens zu entwickeln. einige Jahre lang wohnte in Oborniki Slaskie polnische und deutsche Bevölkerung. eine in vielerlei Hinsicht separate Gruppe bildeten die hier stationierten russischen Soldaten, umgangssprachlich "Russkis", "Sowjeten" oder auch schon deutlich abwertend "Kacapy" genannt. Schon gleich nach dem Krieg siedelten sich in Oborniki Polen an, die entweder während des Krieges in den umliegenden Bauernhöfen gezwungen waren zu arbeiten, Mitglieder von Patronatsgruppen, lokaler Verwaltungs- und Logistikstrukturen des Woiwodschaftsamtes in Trzebnica, stammend aus der Gegend um Kielce, Krakau und Warschau, waren oder auch Bewohner der nah gelegenen Städte Rawicz, Leszno und andere Ortschaften in Großpolen. Ende 1945 kamen hier Menschen aus den ehemaligen Ostgebiete Polens, vorwiegend Husiatyn und Podhajec an. Die Bewohner von Husiatyn stellen eine besondere Siedlergruppe dar - hier kamen sie mit ihrem eigenen Priester und einem Lehrer und die meisten von ihnen waren untereinander auch an diesem neuen Ort durch Verwandschafts- oder Nachbarschaftsbeziehungen verbunden. Obwohl sie von anderer nationaler Angehörigkeit waren als die ansässigen Obernigker, und auch andere kollektive Erlebnisse aus dem Kriege mitbrachten, so waren die beiden Gemeinschaften in einer ähnlichen für ihre Zukunft entscheidenden Lebenslage. Die deutschen Obernigker als Bürger der verlorenen Seite wußten schon seit dem 2.08.1945, sie würden sich jenseits des Grenzflusses Oder aussiedeln lassen müssen und so ihre "Heimat" in Obernigk verlieren. Dies geschah in dem meisten Fällen am Ende 1946. Die neuen Stadteinwohner aus den froheren Ostgebieten Polens wiederum, auch wenn sie Bürger des siegreichen Alliertenstaates war, so mußten sie ebenfalls ihre "kleine Heimat" verlassen, die am 17.09.139 in die Sowjetunion einverleibt worden war, und "mit den Nächsten unter sich zu leben". Die beiden Gemeinschaften hegten jahrelang die trügerische Hoffnung, ihre Trennung mit dem Heimatort würde nur vor kurzer Dauer sein. Während des Umsiedlungsprozesses der hiesigen Deutschen wohnten einige polnische Siedler mehrere Monate lang neben ihnen. Es gab fälle, da wurden sie deutschen aus ihren Wohnungen entfernt und gezwungen, zu anderen deutschen Familien zu ziehen. Es ist dabei allerdings anzumerken, dass sich die überwiegende Mehrheit der polnischen Siedler gegenüber den deutschen wenigstens korrekt verhielt, indem sie mit denen die bescheidenen Vorräte der aufgebrachten Nahrung teilte. Einige Zeit lang aßen sie auch miteinander in der selber eingerichteten Kantine. Zwar langsam, aber auch unaufhaltsam stabilisierte sich das individuelle und das kollektive Leben der Bewohner von Oborniki. Beharrlich mußten sie mit unzähligen Schwierigkeiten mit der Verpflegung, mit dem kompletten Neuschaffung der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur ringen - all der Elemente, die die Grundlage ihres Soziallebens bildeten. Die lokalen Möglichkeiten stellten sich als unzureichend heraus, vor allen im Hinblick auf sie Beschäftigung. Vielen der Stadteinwohner mußten Arbeit u.a. in Trzebnica, Brzeg Dolny, Wo³ow, Prusice und ¯migrod suchen, die meisten aber in Wroclaw. Dieser Teil der Bevölkerung konnte selbstverständlich an dem täglichen Leben der Gemeinde nicht teilhaben. Es wäre falsch zu glauben, dass das Miteinander einer so regional, kulturell und sozial-beruflich differenzierten Gemeinschaft ohne Schwierigkeiten, ja Konflikte verlief. Der Hauptgrund dafür war die Tatsache, dass die Mitglieder der einzelnen regionalen Gemeinschaften getrennte Landsmännergruppen bildete, sich untereinander unterstützten und versucht haben, die Führung der erst in der Entwicklung inbegriffenen Gemeinde zu übernehmen. Es gab auch viel unbedeutendere Ursachen für die gegenseitige Abneigung: Differenzen in der Sprache, in der Verhaltensweise, in dem kirchlichen Gesang, in der Kleidung und den Bräuchen. Meistens aber brachten sie das soziale Leben nicht durcheinander. Die vergehende Zeit erwies sich als ein guter Erzieher für die meisten Einwohner, der sie die Toleranz für die gegenseitige Andersartigkeit lehrte. In ihnen steig das Gefühl einer emotionellen Verbundenheit mir ihren Mitbewohnern, der Solidarität in Umgang mit der gesellschaftlichen Umwelt, der Vertrautheit der Natur und des Lokalpatriotismus. Eine wichtige Aufgabe für die Stadtbehörden war es, das Kur- und Erholungscharakter der Ortschaft auch nach dem Krieg zu bewahren. Schon 1946 hat Prof. Ludwik Wêgrzynowski mit dem Einrichten von Sanatorien und Präventorien in Oborniki begonnen. 1950 waren bereits 3 Sanatorien für Erwachsene, 1 1 Sanatorium und 2 Präventorien für Kinder offen - sie alle Waren ein Teil des staatlichen Komplexes von Sanatorien für Tuberkulosekranke (Pañstwowy Zespo³ Sanatoriów Przeciwgru¼liczych (PZSP)). Das komplex war jahrelang ein der größten Arbeitgeber für Einwohner von Oborniki und umliegenden Ortschaften. Die Stadt wurde erneut zum Reiseziel für Touristen und Wochenendtouristen aus Wroclaw. Mehrmals haben uns Kinder aus Nachkriegswarschau besucht, die hier eine Klimatherapie durchmachten. In den von ihnen nach den Stadtvierteln Warschau benannten Gebäude in Parkowa-Straße: 'Belweder', 'Stare Miasto', £azienki', '¯oliborz' und 'Praga' fanden später aus mazedonische und griechische Kinder Unterbringung, die sich hier in den Jahren 1950-1951 erholten. Nach der Übernahme der Gebäude durch die Oberschule für Kindergartenerzieherinnen wurden die Namen durch entsprechende Tafeln festgehalten. Die klimatischen Vorzüge unserer Stadt haben manche der Betrieben aus Wroclaw (Hydral, Stoczni Rzeczna, Polmod und Energopol) ermutigt, in den 60er Jahren hier in X.Dunikowski-Straße Campingplätze einzurichten, wo ihre Mitarbeiter samt Familien Urlaube und Festtage verbrachten. Durch die Bemühungen des Zentrums für Sport und Erholung (O¶rodek Sportu i Rekreacji) ist hier auch ein allgemeinzugängliches Hotel und ein Gebäudekomplex für Sommerferiengäste entstanden. Leider konnten sie nicht allen Interessierten aus In- und Ausland genügend Platz bieten. Die 56 Jahren der Nachkriegsgeschichte von Oborniki Slaskie, der Stadteinwohner und der gesamten Gemeinde wurden noch von mehreren anderen Ereignissen und Prozessen geprägt. Jedes davon kann, ja sollte künftig der Gegenstand separater Reflexionen sein. Es scheint und überflüssig zu beweisen, dass selbst das oberflächliche Erwähnen aller der Ereignisse in dieser kurzen Studie einfach unmöglich ist. Der Vollständigkeit der Geschichte halber werden wir hier nur einige von ihnen anschneiden. Dies wird unserer Ansicht nach eine wichtige Ergänzung der historisch-soziologischen Skizze und zugleich deren Zusammenfassung darstellen. 1. Jahre 1945-1965 Der Prozeß der Anpassung der Einwohner an das Miteinander und an die veränderten wirtschaftliche, sozial-ethnische und kulturell-zivilisatorische Verhältnisse war damals in Oborniki Slaskie im vollen Gange. Die Sanatorien, Präventorien, Produktionsbetriebem Dienstleistungsfirmen, Bildungszentren, Kino und der Sportclub "Bor" nahmen ihre Tätigkeit wieder auf.. Über die zwei Anfangsjahre hab es in der Stadt Doppelbehörden - die polnische und russische Militärkommandantur. Die Umsiedlung der Deutschen in die Besatzungszonen jenseits der Oder vereinheitlicht Nationalstruktur von Oborniki, doch nicht die der umliegenden Ortschaften, denn in den Jahren 1947-1948 wurden dort Familien lemkischer und ukrainischer Herkunft angesiedelt. 1953 wurde in der Stadt zum erstem Mal eine Berufsschule - die Oberschule für Kindergartenerziehung eingerichtet, die neben der zwei Grundschulen zu einer wichtigen Kulturverbreitungsstätte aufstieg. Es entwickelte sich spontan der individuelle Häuserbau, der die frühere architektonische Landschaft schrittweise ersetzte. 2. Jahre1966-1986 In diesen zwei Jahrzehnten nimmt in Oborniki das Kulturhaus (1969) seine Tätigkeit auf und wird langsam zu einer immer professionellen Einrichtung der Kulturverbreitung, die die kulturellen Bedürfnisse der Stadt und der umliegenden Dörfer befriedigt. 10 Jahre später wurde leider Die Oberschule für Kindergartenerziehung aufgelöst, was die lokalen politischen und administrativen Behörden nicht zu verhindert wußten. 1975 steigt, erneut nach 1945, der Rang der Stadt auf, denn sie wird zum Hauptsitz der Gemeinde, mit allen dazugehörigen positiven Folgen. Die Stadt- und Gemeindeeinwohner betätigen sich erfolgreich auf dem Kunst- und Sportgebiet. Die Stadt bekommt einige neuen Villenviertel sowie zwei große soziale Wohnkolonien und eine große Schauhalle in dem lokalen Kulturzentrum. 1976 fiel die Entscheidung über das Organisieren einer spektakulären Veranstaltungen unter dem Namen "Film- und Literaturtreffen" in Oborniki. .9 Editionen lang waren sie das größte kulturelle Ereignis der Stadt und der Gemeinde. Es wäre also zu erwähnen, dass die alte protestantische Kirche 1982 von der katholischen Kirche übernommen und zu einer Nebenkirche der Pfarrei wurde. Leider kam es auch zu einem bedauernswerten Vorfall, als der alte evangelische Friedhof durch die Willkür der politischen Entscheidungsträger abgeschafft wurde. 3. Jahre 1989-2001 Den Umwandlungen des politischen Systems in Polen folgenden schnelle Veränderungen der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur. Es entstehen neue Geschäfte aus verschiedenen Bereichen, Restaurants, Produktionsbetriebe und Dienstleistungsunternehmen. Oborniki ¦l±skie hat bereits ihren eigenen Wappen, Konzeptionsarbeiten an dem Entwerfen der Farben der Stadtfahne und sogar der Hymne sind im Gange. In die Stadt kehrt eine allgemeinbildende Oberschule zurück. Immer mehr Menschen aus Wroclaw siedelt sich hier fest an. Die Stadt und Gemeindebehörden finanzieren Arbeiten an der Verbesserung der Fußwege und Verkehrsstraßen. Es werden zahlreiche Beziehungen mit Stadtvertretern aus Deutschland, Belgien und Frankreich aufgenommen, die nicht nur für eine Werbung für die Stadt und die Gemeinde sorgen, sondern auch meßbare Nutzen bringen. Neben des Kulturzentrums in Oborniki, das die kulturellen Bedürfnisse der Stadt- und Gemeindeeinwohner deckt, existiert in der Stadt der kamerale "Salon der vier Musen", der zum Treffpunkt vor allem aller Musikliebhaber wurde. Hier finden die von der Salonleiterin, Irena Zieliñska und Prof. Juliusz Adamowski veranstalteten Konzerte statt, vorgetragen durch weltberühmte Künstler aus vielen Ländern. Schließlich muß die Tatsache vermerkt werden, dass in Oborniki Treffen der ehemaligen deutschen und der heutigen polnischen Bewohner stattfinden. 2001 nahmen sie an einem ökumenischen (evangelisch-katholischen) Gottesdienst und einem Gesellschaftstreffen in dem lokalen Kulturzentrum teil. Weise und zum Nachdenken zwingend waren das Predigt des Pastors Hartmut Knappe und des Pfarrers Franciszek Jadamus, und geradezu rührend - das Weiterreichen der symbolischen Friedensgäste durch die ehemaligen und heutigen Stadtbewohner. Wir sind ebenfalls der Meinung, dass die 700 Jahre Geschichte von Oborniki ¦l±skie eine komplette und dokumentierte Monographie verdienen. Vielleicht könnten die Treffen der ehemaligen und heutigen Stadtbewohner zu ihrer gemeinsamen Erarbeitung beitragen, denn viele Ereignisse aus der Zeit vor 1945 sind den Einwohner von Oborniki aus Erfahrung oder mündlichen Überlieferungen innerhalb der Familie bekannt, so wie die heutigen Stadteinwohner die Geschichte nach 1945 kennen. Die Vertreter der beiden Gemeinschaften könnten nicht nur den guten Willen zur Erarbeitung der Studie zeigen, sondern sich der Tatsache bewußt werden, dass 'die politische und die historische Wahrheit nur selten synonym sind, auch wenn sie ihre Argumente von selben Tatsachen ableiten". . |
Sieben Jahrhunderte von Oborniki ¦l±skie I. Der Anbeginn: Naturumwelt und Menschen. II. Zeit des Kampfes um die nationale Zugehörigkeit dieses Landes. III. Herkunft der Bevölkerung und der Ansiedlung Obora, der Vorgängerin von Oborniki ¦l±skie. IV. Ausgewählte Ereignisse und Prozesse in der Geschichte von Oborniki bis zum Jahre 1939. V. Die Endphase des 2. Weltkrieges VI. Die ehemaligen und die heutigen Einwohner von Oborniki und ihre Stadt in der Nachkriegszeit. |